„Der König von Spanien wartet an der Bar, aber Ihr Tisch ist fertig!“ Und diesen Satz meinte der Kellner tatsächlich ernst!
Gesagt wurde er zu Ruth Reichl, der damals neuen Restaurant-Kritikerin der New York Times, die wohl wichtigste Person für die Betreiber guter Küchen – mit der Linzenz zum Vernichten. Da musste der spanische König tatsächlich noch an der Bar auf einen freien Tisch warten…
Doch wie ernst kann man Essen und Service nehmen, wenn die ganze Belegschaft genau weiß, wie wichtig der Gast ist? Müsste da nicht die Kritik eigentlich aus der Perspektive eines ganz normalen Gastes geschrieben werden, eines unerkannten Einflusslosen? Dachte sich auch Ruth Reichl, als sie schon vor Antritt ihrer Stelle in New York erfuhr, dass ihr Foto bereits hinter jedem Restauranttresen der Stadt lag. Zur Sicherheit…
Also begann sie eine Scharade, besuchte die interessanten Läden verkleidet. Mal als kleinbürgerliche Molli mit ebensolcher Figur, mal als ihre eigene Mutter. Und tatsächlich: Plötzlich fand sie sich am schlechtesten Tisch des Restaurants platziert, am Durchgang zum Raucherbereich und bedient vom mürrischsten Kellner, der aufzutreiben war.
Das ist nicht nur höchst unterhaltsam geschrieben, es produziert auch einen Speichelsturz nach dem anderen. Und weil es kaum eine schwierigere Aufgabe gibt, als Geschmack zu beschreiben, wächst die Hochachtung vor der Autorin um so mehr. Das schafft sie nämlich in einer klaren, schnörkellosen und doch ausgesprochen schönen Sprache. Die nehmen eben nicht jede bei der New York Times…
So schafft sie es tatsächlich, mich neugierig auf ursprüngliches Sushi und seine Geschmacksexplosionen zu machen – dabei mag ich Sushi gar nicht.
Nutzwert hat das Buch übrigens auch: Ruth Reichl liefert einige der leckersten Rezepte, die sie in den getesteten Restaurants kosten durfte, gleich mit. Wie gut die sind, muss sich noch zeigen: Das erste werde ich zu Ostern probieren. Käsekuchen.
Ruth Reichl: Falscher Hase – Als Spionin bei den Spitzenköchen. Blanvalet, 7,95 €
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