Twittern Sie? Sind Sie bei Facebook, Stayfriends, myspace und meinVZ? Diese sogenannten Sozialen Netzwerke sind zurzeit DER Renner im Internet. Keine Sparte des Netzes wächst so schnell. Und zwar nicht nur bei den jungen, die eh dauernd online sind. Nein, inzwischen entdecken vor allem die reifen Erwachsenen das sogenannte Web 2.0 für sich. Und das ist längst mehr als Pinnwand und Nachrichtenbörse. Inzwischen spielen da Leute, von denen man es früher nie erwartet hätte.
Margitta braucht Nägel. Sie baut nämlich grad nen Pferdestall und muss sich dafür das Material zusammenbetteln. Dabei kann Margitta gar nicht reiten. Aber sie ist bei Facebook angemeldet – wie mehr als 7 Millionen andere Deutsche. Und da baut sie sich eben gerade ihre eigene kleine Farm auf. Farmville heißt das Spiel, süß gemachte Grafiken von Blümchen und Häschen, wunderbaren Blumensträußen und gerne auch mal lila Kühen. Gespielt wird interaktiv mit den anderen Nutzern von Facebook. Eine nette Ablenkung zum Feierabend – nicht nur für Frauen in den besten Jahren wie Margitta. Wer es härter mag, der kann bei Mafia Wars seine Qualitäten als sizilianischer Pate testen, selbst in Ostwestfalen. Dem globalen Netz sei Dank. Und fast schon meditativ kommt Happy Aquarium daher. Hier schwimmen alle vernetzten Freunde aus dem Adressbuch als Fische umher – am Valentinstag sogar ergänzt um ein paar süße Kuss-Fische.
Farmville, Mafia Wars, Happy Aquarium – nur drei von hunderten Spielen bei Facebook, die immer beliebter werden. Aber ein paar Sachen gibt’s tatsächlich noch nicht.
Westerville zum Beispiel. Da muss der Spieler mit Hilfe von Steuersenkungen und verbilligten Hotelübernachtungen sein Volk bei Laune halten. Ein Volk übrigens, das hauptsächlich aus Apothekern, Pharmamanagern und Steuerberatern besteht. Statt Pferdeställen nageln wir uns in Westerville Steuerspar- und Stufenmodelle zusammen. Wem das gelingt, der bekommt einen Bonus ausgezahlt, die sogenannte Gesundheitsprämie. Doch Westerville droht Gefahr. Denn nebenan, in einer Baracke in Hartzons County, leben in spätrömischer Dekadenz die fiesen Sozialschmarotzer. Sie drohen mit Bombardement aus Suppenküchen-Gulaschkanonen und dem Aufbau unüberwindbarer Fünf-Prozent-Hürden. Ein spannendes Spiel – vielleicht schon bald in Ihrem Internet…
Ebenso wie: Coalition Wars. Verhandeln Sie wochenlang um den kleinsten gemeinsamen Nenner mit Ihren Mitspielern. Wichtig: Sobald Sie sich geeinigt haben, sollten Sie anfangen, neue Forderungen zu stellen und von den alten Absprachen nichts mehr zu wissen. Bringen Sie Ihre verbalen Heckenschützen aus Landtag und Hinterbank argumentativ in Stellung. Beschimpfen Sie den Koalitionspartner gröber als zu besten Oppositionszeiten. Wer es schafft, am meisten Dreck über die eigentlich eigenen Leuten auszukippen, wird am Ende vielleicht sogar Staatssekretär oder Minister. Coalition Wars – denn Opposition ist Mist.
Wer eher klerikal als politisch unterwegs ist, für den wäre vielleicht Happy Bishop ein Tipp. Eine der bösesten Spielideen der letzten Zeit. Ziel ist es, immer den schein-heiligen Schein zu wahren. Sie dürfen alles machen – es aber keinem sagen. Geißeln Sie Verfehlungen oder Lebensweisen, egal ob Sie selbst betroffen sind. Falls Sie doch mal beichten, droht Ihnen außerdem höchstens die Versetzung in eine Nachbargemeinde. Ein Spiel, das übrigens, wenn Sie echten Fortschritt sehen wollen, schon mal ein paar hundert Jahre dauern kann.
Und während die Entwickler jetzt was aus diesen Ideen programmieren, könnten Sie sich ja vielleicht bei Farmville anmelden und meiner Kollegin Margitta ein paar Nägel schenken. Damit der Pferdestall irgendwann mal fertig wird.
(c) WDR, 2010