“Die Wahrheit” hat Melanie Raabe aufgeschrieben. Ihr zweiter Roman. Ein leiser, bedrückender Thriller.
Im Mittelpunkt des Buches steht Sarah, eine Lehrerin. Ihr Mann, Philipp, die große Liebe ihres Lebens, ist seit sieben Jahren verschwunden. Auf einer Geschäftsreise nach Kolumbien verschollen. Wenn wir in die Geschichte einsteigen, hat sie sich gerade damit abgefunden, dass Philipp offenbar tot ist. Sarah hat ihr Leben wieder im Griff. Auch für den gemeinsamen Sohn. Sie ist raus aus der Trauer. Doch dann kommt der lange ersehnte Anruf, der jetzt so fehl am Platze wirkt: Philipp lebt. Kehrt heim.
Mit dem Happy End beginnt der Horror
Und nein, das ist kein Happy End direkt am Anfang. Denn hier beginnt der eigentliche Thrill: auf dem Rollfeld, als die Maschine mit dem Rückkehrer gelandet ist. Da steht Sarah mit Regierungsbeamten, ihrem Sohn und der versammelten Presse. Dann kommt ihr Mann die Flugzeugtreppe runter – und ist nicht Philipp. Sie hat diesen Mann noch nie gesehen.
Die kann Sarah jetzt so schnell auch nicht auflösen, diese Horrorsituation. Denn sie ist erstmal völlig überrumpelt, kann nichts sagen. Als sie dann zum Beispiel eine Beamtin vom Außenministerium informiert, glaubt die ihr nicht. Hält sie für überspannt. Glaubt, Sarah müsse sich nach sieben Jahren erstmal an ihren Mann gewöhnen, der natürlich durch die Entführung verändert ist. Fazit: Er zieht erstmal bei ihr ein – weil das ja für die Außenstehenden auch sein Zuhause ist.
Psychothriller der leisen Töne
Das ist eine gute Ausgangssituation für einen veritablen Psychothriller. Einen, der eher mit leisen Tönen spielt. Mit unterschwelliger Bedrohung. Der Fremde steht jetzt nicht mit vorgehaltener Waffe vor Sarah, manchmal denkt man sogar, er wolle sie beruhigen. Und Sarah fühlt sich machtlos. Familie oder gemeinsame Freunde, die den Hochstapler schnell entlarven könnten, gibt es nicht. Philipps Mutter ist dement – außerdem hasst sie Sarah. Ihr Sohn, Leo, war noch zu klein, als der Papa verschwand. Zu einem DNA-Test können sie den Fremden nicht zwingen. Also muss sie selbst einen Weg finden, das aufzulösen.
Auch Raabes zweiter Roman zieht rein
Das hier ist der zweite Roman von Melanie Raabe, ich war schon vom Debüt “Die Falle” begeistert. Denn Melanie Raabe schafft es, mich sofort reinzuziehen. Mit Sarah mitzufühlen, die Beklemmung, auch die Verlassenheit, die Ratlosigkeit. Und sie streut Störgeräusche ein, sät in mir als Leser den Zweifel, dass da vielleicht auch mit Sarah was nicht stimmt. Das Ende ist, wenn man mal durch die Sozialen Netzwerke und bei den Kundenrezensionen der Buchhändler guckt, unter den Lesern durchaus umstritten. Ich war darauf nicht gefasst, fand’s gut. Denn: Langweilig ist anders.
Melanie Raabe
Die Wahrheit
Verlag: btb
ISBN: 978-3442754922′
Preis: 16,00 €