Überwachung mal ganz praktisch: In „Das Haus der tausend Augen“ spielt Ben Berkeley durch, was sich mit gesammelten Informationen alles anstellen lässt. Ich war in zwei Nächten durch mit dem Thriller, so hat’s mich reingezogen in die Story.
Für WDR 2 habe ich den Thriller als Krimi-Tipp besprochen:
Im Kongress der Vereinigten Staaten soll ein Gesetz zur Zügelung der Überwachungsbehörde NSA verabschiedet werden. Ein Herzensanliegen für den amtierenden Präsidenten und seinen Stab. Vor allem für den stellvertretenden Stabschef. Er hat die Mehrheit für das Gesetz organisiert – eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit in Zeiten von Terrorangst, die an Paranoia grenzt. Doch genau dieser Mann wird wenige Stunden vor der entscheidenden Abstimmung festgenommen. Er soll eine Prostituierte umgebracht haben. Tatsache oder verzweifelter Schachzug der NSA?
Hauptfigur
Gary Golay: stellvertretender Stabschef im Weißen Haus, Familienvater und ein feiner Kerl. Mit Gewissen. Er will nicht, dass seine Regierung ihre Augen und Ohren überall hat. Will die Macht der Geheimdienste, vor allem der NSA, beschneiden. Hat ihn das zum Ziel, ja zum Feind der Herren über die Datenbanken werden lassen? Offenbar kannte jemand seine Schwachstelle: Dass er – als es zuhause mal nicht so lief – ein paarmal bei genau der Prostituierten war, die jetzt verblutet in einem Hotelzimmer liegt. Golay ist unschuldig, das ist dem Leser immer klar. Die Spannung bezieht der Krimi aus ganz anderen Fragen: Wer steckt wirklich dahinter? Und vor allem: Wie kommt Golay aus der Nummer wieder raus – auf welchem Weg und in welchem Zustand?
Nebenfiguren
Gary Golays Familie, klar: Frau und Töchter. Sie stehen vor den Trümmern ihrer Existenz. Und der Frage: Sollen sie das mit Gary durchstehen oder sich von ihm absetzen? – Hilfe bekommt Gary von einem alten, kautzigen Anwalt und dessen ehrgeiziger, sehr talentierter Assistentin. Außerdem nimmt uns ein Datenanalyst der NSA mit ins Innenleben der NSA. In die Rechenzentren. Dort stößt er auf Garys Fall. Oder besser: Sein Leben. In vielen Einzelheiten. Und auf sehr private Momente der Anwalts-Assistentin: So wird der Analyst zur facettenreichsten Figur des Buches: Lauscher, Spanner, vielleicht Retter.
Härtefaktor
Die härsteste Szene hängt mit Garys älterer Tochter zusammen. Da stockte mir wirklich der Atem. Und es schoss durch meinen Kopf: Der wird doch jetzt nicht … das kann der doch nicht machen…!? Was genau? … Selber lesen!
Autor
Ben Berkeley. Studierter Psychologe, Medienexperte und fasziniert von den Gefahren der digitalen Gesellschaft. Die verpackt er hier in eine fesselnde Geschichte.
Fazit
Wer mal ganz praktisch am Beispiel vorgeführt bekommen möchte, was Geheimdienste so alles an Daten von uns sammeln können, wie sie uns auf Schritt und Tritt überwachen können – und was sie damit im schlimmsten Fall anstellen können: Der legt dieses Buch nicht mehr aus der Hand. Weil wir einfach bis zum Ende mit Gary Golay mitfiebern, Angst um ihn haben und am Glauben an den Rechtsstaat verzweifeln.
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