Das war also der ESC-Vorentscheid. Aber nicht das Fernsehvolk hat entschieden, sondern der Gewinner. Nämlich, die Wahl nicht anzunehmen. Jetzt fühlen wir uns verarscht. Zurecht.
Is mir echt egal, warum Andeas Kümmert meinte „nicht in der Verfassung zu sein, die Wahl anzunehmen“. Das hätte er auch früher wissen können. Der Mann hat bei ProSieben/SAT.1 die Castingwochen bei „The Voice of Germany“ durchgestanden. Hat den Wettbewerb gewonnen. Da ist der freiwillig hingegangen. Hat freiwillig Platten aufgenommen.
Ich kann mir auch beim besten Willen nicht vorstellen, dass seine Plattenfirma ihn jetzt gezwungen hat, am Vorentscheid für den Eurovision Song Contest mitzumachen. Haben die ihn mit vorgehaltenem Mikrofon auf die Bühne geschubst? Eher nicht.
Er sagt ja bislang nix zu seinen Motiven, hier den Reich-Ranicki zu machen. Aber was auch immer diese sind (Krankheit, psychische Belastbarkeit, Nicht-Identifikation mit dem Wettbewerb ESC oder die Vorwürfe, er habe Konzertbesucherinnen beleidigt): Das hätte er doch bitte alles vorher wissen können. Dann mach ich da doch gar nicht erst mit! Der will doch Profi sein. Verdient mit Auftritten sein Geld. Nee, sorry: Null Verständnis meinerseits.
Wenn ich in ein solches Rennen gehe, will ich es auch gewinnen. Wieso soll ich als Zuschauer denn noch die Show gucken oder mit abstimmen, wenn am Ende dann doch wer anders fährt? (Ich konnte schon als Kind die Eltern nicht leiden, die auf Kindergeburtstagen bei den Spielen meinten „Ihr seid alle erste Sieger“.)
An alle, die im Laufe des Abends dann bei Twitter und facebook meinten, Kümmert habe Courage gezeigt, sie hätten Respekt für ihn: Bullshit! Ihr habt es offensichtlich nicht verstanden. Was hat das mit Courage zu tun?
Ob geplant oder spontan aus dem Bauch heraus: Andreas Kümmert hat uns da heute Abend alle (um das Wort von oben nochmal aufzugreifen) verarscht. Und um ne richtig gute Chance auf den dritten deutschen ESC-Sieg betrogen. Denn er hatte von Anfang an eine Siegernummer.
Wir hätten das Ding wieder gewinnen können
Springen wir kurz zurück in den Herbst 2013. Es beginnen die Blind Auditions von The Voice of Germany. Da tritt so’n Zausel auf, der nun gar nicht nach Popstar, sondern mehr nach 26stem Semester Sonderpädagogik mit Nebenfach Textilgestaltung aussieht. Und haut aber mal sowas von einen raus! Zerlegt mit seiner Stimme Joe-Cocker-mäßig in 1’30 die Halle und die Herzen der Zuschauer. Absoluter Gänsehautmoment. Ich springe vom Sofa auf und deklamiere: „Der gewinnt das Ding!“ Einige Monate später war er The Voice of Germany 2013.
Das war für mich so ein Lena-Moment. Ein echter, authentischer, völlig unverstellter Mensch tut das, was er so so gut kann: Singen. Herzen berühren. Und genau deshalb hätte er mit diesem großen Song „Heart of stone“ Europa (und Australien) eine kollektive Gänsehaut hinsingen können. Hätte hätte Fahrradkette!
Die Absage an den Sieg war dann vielleicht ne Spur zu viel Authentizität und ein Quentchen zu wenig Professionalität.
Die arme Zweite leider nur Mittelmaß
Stattdessen muss nun also die arme Ann-Sophie nach Wien. Genau der Gegenentwurf zu Andreas Kümmert. Nett, redegewandt, nett anzuschauen, perfekt gestyled. Aber darin eben für mich auch so dermaßen langweilig, dass sie am besten gar nicht nach Wien fahren sollte. Mit nem Lied, das ich schon während des Hörens leider wieder vergessen hatte. Es ist soooo bitter!
Gewinnerin des Abends: Barbara Schöneberger
Sie konnte zeigen, dass sie auch so ne Nummer als Moderatorin souverän meistert. Fast wie Gottschalk damals, als er Reich-Ranicki besänftigen musste. Und brachte wohl die Emotionen von Millionen Fernsehzuschauern auf den Punkt: „Ein Koitus interruptus der schlimmste Sorte.“
P.S.: Das ganze ist nur ein Gesangswettbewerb, und anderswo ist Krieg. Ja, es gibt echt Wichtigeres. Hatte mich grad nur ein bisschen aufgeregt.
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