Ein Mädchen verschwindet, eine Bekannte hätte auf sie aufpassen sollen. Diese ist selbst Mutter und ziemlich überfordert. Aus dieser Perspektive schildert Paula Daly eine Kriminalstory im britischen Lake District. „Die Schuld einer Mutter“ habe ich gelesen und für WDR 2 besprochen:
Im Mittelpunkt des Romans steht eine Mutter, der ihre Kinder, der Job und der frustrierte Ehemann langsam über den Kopf wachsen. Und die dann auch noch Schuld auf sich lädt, als sie vergisst, dass sie auf die Tochter einer Freundin aufpassen soll. Dadurch wird 24 Stunden zu spät bemerkt, dass das Mädchen verschwunden ist, vielleicht einem Kinderschänder in die Hände gefallen, der gerade in der Gegend sein Unwesen treibt. Da macht sich Lisa, so heißt die überforderte Mutter, schwere Vorwürfe.
Weite Strecken des Buches sind aus Lisas Perspektive geschrieben. Wir haben also unmittelbar Teil an ihrer Gedankenwelt aus Verzweiflung, Selbstzweifeln, Wut und dem Willen, die verschwundene Lucinda zu finden. Dieses explosive Gedankengemisch transportiert Paula Daly auf ganz wunderbare Weise. Sehr dicht, sehr nachvollziehbar: Da zieht sie mich direkt rein, und ich will immer weiterlesen. Natürlich gibt es auch eine Suchaktion im Ort. Da sind wir dabei. Und wir verfolgen als Leser auch die Ermittlungen der Polizei. Aber vor allem geht es um die Dynamik in den betroffenen Familien.
Paula Daly, die Autorin von „Die Schuld einer Mutter“, ist frisch auf dem Krimimarkt. Und dafür sehr gefeiert in Großbritannien. Sie lebt da, wo das Buch spielt: im Lake District, einer sehr beliebten Ferienregion im Norden Englands. Und sie lebt eben auch das anstrengende Leben einer dreifachen, berufstätigen Mutter. Ich glaube, dass sie gerade deshalb den Ton so genau trifft. Sie wird manche der Gedanken ihrer Hauptfigur selbst schon gedacht haben. Und bestimmt den Satz, der als englischer Titel auf dem Buch steht, auch schon gehört haben: dieses verachtende, vorwurfsvolle „Just what kind of Mother are you?“, also „Was für eine Mutter bist du eigentlich?“
In dieses Buch können sich nicht nur Mütter reinfühlen. Man muss nicht einmal Vater sein, sondern nur eine Portion Einfühlungsvermögen mitbringen. Ich als „nur Patenonkel“ habe richtig mitgelitten. Hinzu kommt, dass hier keine Krimi-Klischees gedroschen werden, dass es überraschende Wendungen gibt – und dass es eben dadurch auch richtig spannend ist. Weil ich als Leser um das verschwundene Mädchen bange und die ganze Zeit miträtsele, was denn nun wirklich passiert ist.
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